Im Yoga gibt es verschiedene Bereiche, die wir in der Krankengymnastik nicht benennen. Das sind zum einen die Cakra. Dieses sind sieben feinstoffliche Zentren, die entlang der Wirbelsäule liegen und von der Steißbeinspitze bis zum Scheitel reichen. Sie verbinden die seelische Welt mit dem Körper. So entwickeln sie sich durch jeweils differenzierte seelische Aktivitäten und wirken auf den Körper. Ein für den Bewegungsapparat außerordentlich wichtiges Zentrum ist das dritte Zentrum. In Sanskrit einer alten indischen Sprache, heißt es Manipura-cakra. Hierzu Gedanken von Heinz Grill, die dem Buch, „Die Seelendimensionen des Yoga“ S. 142 entnommen sind.

Das Manipura-cakra liegt auf der Höhe des Magens, etwa dort, wo sich der Plexus coeliacus befindet. Allgemein benennt es die deutsche Übersetzung mit dem sogenannten „Sonnengeflecht“, das ein kleineres zentrales vegetaatives Nervengeflecht darstellt. Es ist ein wärmebildendes Zentrum, da es mit den aktiven Stoffwechselorganen wie Pankreas, Galle, Magen und und auch mit den extraperitonealen Nieren in Verbindung steht. In dieser Region des Bauchraumes findet der wichtigste Anabolismus statt.

Der Übende erlebt dieses Zentrum durch eine angenehme, befreiende Flankenatmung, die sich in derr Grundempfindung der Weite ausdrückt. Diese Empfindung zur Weite, weist eine deutliche Verbindung zur gesamten Skelettmuskulatur des Körpers auf, denn diese kann entspannt, natürlich und elastisch im Zusammenwirken sein oder angespannt, übersäuert, mit Verkrampfungsneigungen und schmerzhaften Kontraktionen. Schließlich ist dieses Zentrum, das um die Nierenregion gelagert ist, für die aufbauende regeneration der Wirbelsäule ausschlaggebend. Ist dieses Zentrum gut entwiceklt, so ist die Spannkraft der Wirbelsäule frei verfügbar und Stabilität wie auch Flexibilität halten sich harmonisch die Waage. Die Stärkung des Sonnengeflechtes ist deshalb für alle Wirbelsäulentherapien und für das natürliche Regenerationsvermögen des Körpers von entscheidender Wichtigkeit.

Grundlagen für die Übungsweise

Der Atem wird in seinem freien Fluss zugelassen

Das Verhältnis von Muskelspannung und Atmung ist auch in der Physiotherapie bekannt, wird aber kaum therapeutisch benützt. Mit der Einatmung steigt der Muskeltonus und mit der Ausatmung sinkt der Muskeltonus. Diese Idee, dass man den Atem nicht anhalten soll, sondern ihn fließen lässt, ist natürlich auch in der Physiotherapie bekannt. So wird man zum Beispiel erhöhte Spannungen im Bauchbereich beim Heben ausgleichen indem man den Patienten auffordert weiterzuatmen oder auszuatmen.

In der Übungsweise nach Heinz Grill wird der Atem immer frei und leicht zugelassen. Dadurch bleibt, und das ist für die Physiotherapie von großem Wert, der Gesamttonus der Muskulatur in einem idealen Spannungsverhältnis. Entspannung und Anspannung können in idealen Verhältnissen nebeneinander im Körper bestehen. Dieser Zusammenhang zwischen freier Atmung und einem Eutonus in der Gesamtkörpermuskulatur ist bis heute noch nicht allgemein bekannt. Heinz Grill schreibt hierzu: „Ein gesunder Tonus, der weder zu hart noch zu weich das Gewebe belebt, wirkt im Allgmeinen heilsam auf den Bewegungsapparat und beugt frühzeitigen Abnützungserscheinungen und den so häufig überdurchschnittlichen bis hin zu brettharten Muskelspannungen vor. Der freie Atem mit gelösten und dennoch intensiven, bis zur Grenze des Möglichen geführten Bewegungen, bei Erhaltung eines beobachtenden Bewusstseins, entwickelt einen außerordentlich gesunden Gesamttonus im Körper. “ (1)
Ein einfaches leicht nachvollziehbares Beispiel aus der Praxis, ist das Erüben der freien Atmung, um Muskelkrämpfe zu vermeiden. Es braucht etwas länger bis man die freie Atmung anwenden kann, sie hilft aber so sicher wie Magnesium. Vor allem dann und das ist gar nicht selten, wenn Menschen trotz Magnesiumeinnahme Muskelkrämpfe haben.

Weiterhin hat Heinz Grill die Stellung des Bewusstseins zum Atem herausgearbeitet. Das Bewusstsein oder die Fähigkeit frei und objektiv wahrzunehmen und zu beobachten, bleibt bei einem frei fließenden Atem immer in einer Präsenz und damit kann der Körper besser geführt werden. Ausführlich wird diese Idee auf einer Seite mit dem Namen „Der freie Atem“ aufgegriffen. Sie finden hier sehr gut ausgearbeitet Beispiele zur Anwendung des freien Atems bei verschiedenen körperlichen Beschwerden.

Die Spannungsverteilung

Aus der physiotherapeutischen Sicht ist dieser Bereich außerordentlich interessant. Wichtig ist aber zu erwähnen, dass die auf dieser Seite genannten Grundlagen (Atem, Bewusstsein, Raum, Vorstellungsarbeit) diese Art der Spannungsverteilung erst ermöglichen.
Beim Üben bleibt der Kopf, die Gesichtshaut und der Schultergürtel immer entspannt, und der Atem wird auf natürliche Weise entsprechend der körperlichen Anforderungen im freien Fluss zugelassen. Die Spannung selbst kann an verschiedenen Stellen des Körpers angesetzt werden. Häufig wird der Ansatz an einem Bereich der Wirbelsäule gewählt, oder im Bereich des Beckens und der Hüften

Heinz Grill schreibt hierzu auf seiner Seite (www.heinz-grill.de) in dem Artikel „Die Heilkraft der gelösten Bewegung“: „Die gelöste Bewegung beginnt aus der Wahrnehmung und Vorstellungsarbeit des einzelnen Praktizierenden. Sie ist immer begleitet von einem leichten und freien Atem. Erst nachdem ausreichende Beobachtungsvorgänge stattgefunden haben, entwickelt der Übende den exakten und gewünschten Spannungsaufbau. Selbst aber bei diesem Spannungsaufbau lässt er in einer gegliederten Form gewisse Partien, wie den Schultergürtel, den Nacken und auch das Gesicht entspannt, er bearbeitet nur einzelne Abschnitte des Rückens und führt die Wirbelsäule in eine spezifisch dynamische Wölbung. Meist ist bei jeder Übung die Peripherie entspannter und ein Teil der Wirbelsäule entwickelt sich zu einer wirklichen, zentrierten Dynamik.“ (2)

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Die Spannungsverteilung: Die Beine geben Festigkeit und Halt, der Schultergürtel ist bestmöglichst entspannt und die Dynamik ist in der Mitte der Wirbelsäule ungf. auf Höhe des 10. Brustwirbels angesetzt. Von dort aus wird die Brustwirbelsäule nach oben gestreckt und eventuell in behutsamen Maße nach hinten.

Interessant ist, dass er den Nacken-Schulterbereich immer entspannt lässt. Gerade der Schulter-Nackenbereich ist bei sehr vielen Menschen sehr verspannt. Es zeigt, dass es nicht einfach ist, den Schultergürtel dauerhaft zu entspannen. Die gesamte westliche Welt ist von diesem Symptom durchseucht. Eine wichtige Ursache aus physiotherapeutischer Sicht ist der Verlust der aufrechten Haltung. Aus psychologischer Sicht ist es der Stress mit seinen biologischen Faktoren, die wiederum Verspannungen verursachen und aus soziologischer Sicht sind es die Arbeits-und Sozialverhältnisse die den Stress verursachen (KddR) Siehe die Ausführungen zu der anatomischen Betrachtung des Schultergürtels, seinen Krankheiten und der Gesunderhaltung aus physiotherapeutischer Sicht und die Ansätze von Heinz Grill.
Wahrnehmbar ist, sobald der Schulter-Nackenbereich entspannter ist, kann sich die Wirbelsäule, vor allem die Brustwirbelsäule (BWS) spürbar leichter aufrichten.

Das freie Bewusstsein

Ein freies Bewusstsein bedeutet, dass der Mensch nicht mit seinem Körper, seinen Gedanken und Gefühlen verwickelt ist, sondern, dass er sich diesen frei gegenüberstellen kann. Es ermöglicht den Körper freier wahrzunehmen und ihn damit auch freier zu bewegen. Heinz Grill schreibt hierzu:“ Obwohl der Übende Behaglichkeit und Schmerz wahrnimmt, bleibt er in seinem Bewusstsein möglichst frei von diesen Erscheinungen und lenkt die Aufmerksamkeit verantwortungsvoll, bis er eine ästhetische und ideale Position einnehmen kann.“ Man ist damit in seiner Reaktion nicht zugleich vom Schmerz abhängig, sondern kann unabhängig von diesem den Körper wahrnehmen. Dadurch kann der Patient besser und freier eine Eigenverantwortung für sein Üben übernehmen und alte Schmerz- und Gewohnheitsmuster überwinden.

Dies ist auch bei chronischen Schmerzen ein wichtiger und erfolgsversprechender Ansatz. Denn diese Menschen haben das Vertrauen in den eigenen Körper aufgegeben und ziehen sich immer mehr in unphysiologische Bewegungsmuster zurück, die den Schmerz wiederum verstärken. Eine objektive Beobachtungsfähigkeit, durch die der Körper freier betrachtet werden kann, lässt den Menschen freier mit dem Körper umgehen. Mit diesem Ansatz lernen die Betroffenen nach und nach sich auch intensiver und weiter zu bewegen, ohne gesundheitsschädliche Grenzen zu überschreiten, bzw. viel besser selbst entscheiden zu können, wo ihre eigentlichen Möglichkeiten liegen und diese auch auszuschöpfen. Chronischer Schmerz ist, nachgewiesen durch die heutige Schmerzforschung, immer auch kognitiv bestimmt. Der Ansatz nach Heinz Grill bezieht den Atem, das Bewusstsein und den Körper gleichermaßen beim Üben mit ein.

Der Raum

Zum freien Atem und freien Bewusstsein gehört auch das Raumerleben. Der Atem besteht aus Luft und die Luft ist im Raum. Raum hat Weite, Tiefe und ist leicht, da die Luft im Raum ist. Es ist ein großer Unterschied, ob sich der Mensch des Raumes um ihn herum bewusst ist oder nicht. Der Übende nimmt nicht nur seinen Körper selbst wahr, sondern nimmt auch den Raum um den Körper herum wahr. Dieses Raumerleben erhöht wiederum eine Freiheit des Bewusstseins und damit die Objektivität gegenüber dem Körper. Bei Schmerzen kann der geplagte Körper besser von außen betrachtet werden und sich damit freier und ästhetischer im Raum bewegen.

Die objektive Betrachtung gegenüber dem Körper ist eine wichtige Aufgabe. Denn mit ihr wird das Bewusstsein gegenüber dem Körper freier und kann zum Beispiel auch besser wahrnehmen, was der Körper benötigt. Ich erlebe so häufig in der Praxis, dass die Schmerzangaben sehr ungenau sind. Erst wenn man den Einzelnen zu einer konkreteren Wahrnehmung gegenüber dem Körper und dem Schmerzen auffordert, kann er genauer und konkreter den Schmerz benennen oder nimmt und das ist auch nicht selten erst den Schmerz oder die Verspannung wahr. Wenn sich der Mensch bewusst ist, dass um den Körper herum Raum existiert, kann er von außen besser den Körper wahrnehmen, ihn als Körper identifizieren und damit konkreter und freier mit Ihm umgehen.

Die Vorstellungsarbeit

Ein gedanklich aufgebautes Bild von einer Übung ist eine Vorstellung. Je klarer und konkreter die Vorstellung, desto leichter kann der Körper nach dem Bilde geformt werden. Ganz natürlich bleibt damit das Bewusstsein gegenüber dem Körper frei und gleichzeitig tätig. Dies steht z. B. im Unterschied zu den klassischen Achtsamskeitsübungen, bei denen kein klares Vorstellungsbild für eine neue Bewegung führend ist. Ohne eine klar gebildete Vorstellung besteht die Gefahr, dass der objektive Bezug zum Körper in den Hintergrund tritt und der Übende mehr von den Körpergefühlen geleitet wird. Ist das Bewusstsein von einer geeigneten, idealen Idee, einem Bild, einer Vorstellung geführt, dann entstehen neue gesundheitsförderliche Bewegungen und er kommt nicht in alte Muster hinein. Der Wille eine neue bisher noch nicht gekannte erstrebenswerte Form zu gestalten, wird damit gefördert.

Der so Übende lernt anhand des Bildes sich selbst zu korrigieren und selber zu entscheiden, wieweit er sich hineinbewegen möchte. Damit kann er Verantwortung übernehmen und sein Selbstvertrauen wächst. Das Vorstellungsbild selbst, kann sich z. B. ganz an der Anatomie oder der Physiologie des Körpers orientieren, an der Spannungsverteilung aber auch bildhafte Erweiterungen erhalten, z. B. dass der Körper gleich einer leichten nach oben strebenden Linie emporwächst. Solche Bilder, wenn sie eine gesundheitsfördernde Bewegung auf natürliche Weise unterstützen, wirken oft ausgesprochen förderlich, da der Übende dann noch freier den Körper ergreifen, bewegen und gestalten kann.

In der Literatur von Heinz Grill finden sich in der Yogaübungspraxis viele Beispiele, von Vorstellungsbildern, die den Körper zu freieren und auch weiteren Bewegungsmöglichkeiten führen.